Das Zustandekommen von Verträgen oder auch: Diese verflixten Messenger-Dienste!
Bei dem Wort „Vertrag“ denken die meisten Menschen wahrscheinlich an Termine bei Rechtsanwälten und Notaren, bei denen sie ihre Unterschrift feierlich unter ein Konvolut an (Vertrags‑) Blättern setzen, um so ihr Einverständnis zum Geschriebenen hinzugeben. Im folgenden Beitrag möchte ich Sie auf eine kurze Reise in die Welt des Vertragsrechtes mitnehmen, aufzeigen, dass die Realität alles andere als dem Eingangsstatement folgt und darlegen, warum man eine SMS oder WhatsApp-Nachricht manchmal lieber nicht senden sollte.
Unter einem Vertrag stellt sich unser bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) grundsätzlich nicht mehr und nicht weniger als die übereinstimmenden Willenserklärungen mindestens zweier Personen vor, dessen Erfüllung in der Regel von beiden Seiten – wenn nötig sogar klagsweise – eingefordert werden kann. Verspricht ein Teil die Lieferung von Waren, der andere die Bezahlung eines Preises, so spricht das Gesetz zum Beispiel schlicht vom Kaufvertrag. Von einigen Spezialfällen abgesehen, bedarf es neben dieser übereinstimmenden Willenserklärung nur mehr die Erklärung des Abschlusswillens. Die Parteien müssen daher auch zu verstehen geben, dass sie sich an den Vertrag gebunden fühlen. Maßgeblich ist hier der sogenannte objektive Erklärungswert. Maßgebend ist also, wie eine konkrete Willenserklärung von einem redlichen Erklärungsempfänger verstanden werden durfte.
Und genau hier fehlt es in der Praxis erfahrungsgemäß an einer gewissen Sensibilität für die Materie.
Einerseits kann dieser Abschlusswille nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend oder durch allgemein angenommen Zeichen erklärt werden. Es ist daher nicht nötig, jeden Kaufvertrag – etwa über die wohlverdiente Wurstsemmel in der Mittagspause – mit den Worten „Das will ich kaufen“ abzuschließen. Der Wocheneinkauf im Supermarkt würde einen so wohl eher der Unterbringung in einer Anstalt näherbringen, als Rechtssicherheit schaffen. Wer seinen Einkauf auf das Kassenförderband legt, erklärt bereits dadurch seinen Abschlusswillen.
Andererseits, weil der Abschlusswille selbstverständlich über alle uns bekannten und genutzten Medien erklärt werden kann. Ausgenommen sind dabei nur Geschäfte, bei welchen das Gesetz selbst eine bestimmte Form – etwa (Unter-)Schriftlichkeit – bestimmt. Wichtig: Dabei ist in aller Regel nicht das Volumen der Transaktion, sondern lediglich die Art des Geschäfts ausschlaggebend. So könnte man etwa zwischen Frühstück und Zähneputzen einen rechtswirksamen Kaufvertrag über hunderttausende Euro mit einem Klick am Smartphone schließen, da es ja – in der Regel – lediglich um die Einigung geht. Bei einer Bürgschaft für einen Kredit über wenige Euro ist jedoch bei sonstiger Unwirksamkeit die eigenhändige Unterschrift (oder qualifizierte elektronische Signatur) erforderlich.
In der gerichtlichen Praxis ist die Frage der Rechtswirksamkeit eines Vertrages damit stark von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Nicht selten werden von den Parteien ganze Konvolute an SMS-, oder WhatsApp-Korrespondenzen vorgelegt, um das Gericht vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Diese Korrespondenzen haben grundsätzlich den gleichen Beweiswert wie andere (Privat‑) Urkunden. Problematisch, wenngleich für die SMS – also Short Message Service –bereits namensgebend, ist, dass elektronische Nachrichten bewusst kurzgehalten werden. Gemeint ist damit nicht die Verwendung von Abkürzungen (solange diese einigermaßen geläufig sind), da diese auch vom Gericht nachträglich noch gut nachvollzogen werden können, sondern die – durch diese zunehmende Kürze der Nachrichten bedingten – schwammigen Formulierungen. Undeutliche Äußerungen gehen dabei immer zu Lasten desjenigen, der sich ihrer bedient hat. Der Ausgang des Prozesses ist unter diesen Umständen daher nicht immer leicht abzuschätzen
Die Konsequenzen bei festgestellter (Un-)Wirksamkeit des Vertrages können jedoch weitreichend sein.
Jede SMS, jede E-Mail und jedes WhatsApp-Emoji kann dabei den – möglicherweise gar nicht beabsichtigten – Vertragsschluss auslösen. Dabei ist insbesondere bei länger andauernden Vertragsverhandlungen – bei denen Angebote und Gegenangebote gelegt werden, einige Punkte vielleicht bereits feststehen, einige Punkte jedoch weiterhin strittig sind – jedenfalls Vorsicht geboten. Sollte Sie also – vor oder während eines Rechtsstreites – Bedenken über die Auslegung Ihrer Chatverläufe haben, ist es jedenfalls geboten, diese mit Ihrem Rechtsvertreter zu besprechen.
Zum Schluss noch ein Tipp aus der Praxis: Sollten dennoch Vertragsverhandlungen über Messenger-Dienste, SMS oder E-Mail geführt werden, sind Zusätze wie „freibleibend“, „unverbindlich“ oder „ohne Obligo“ allgemein anerkannt, um die Bindungswirkung im Zweifel auszuschließen. Auch hier kann es jedoch auf die Umstände des Einzelfalls ankommen.
(Mag. Florian Breitner)